Seminar Jossy Reynvoet

Wochenendkurs mit Jossy Reynvoet – Über die vier Techniken der Bodenarbeit

Jossy Reynvoet – Über die vier Techniken der Bodenarbeit

Der Belgier Jossy Reynvoet ist ein zertifizierter Bent Branderup Trainer® und überzeugter Gebisslosreiter. Ein treffendes Zitat von ihm besagt: „The only bit we need is a bit of knowledge.“ Als Begründer der Bitless Art of Riding hat er das Cavesal® und Cavemore entwickelt. Das für mich faszinierende ist aber vor allem seine Bodenarbeit. Im Zentrum stehen die Körpersprache und die dauernde Verfeinerung dieser, bis sich Pferd und Mensch wie ein Tanzpaar bewegen. Voller Harmonie mit kaum sichtbaren Hilfen.

Die vier Bodenarbeitstechniken

Die Basis einer guten Beziehung zum Pferd liegt für Jossy im erwartungsfreien Zusammensein. Er beginnt zur Beziehungsbildung daher immer mit „Meetings“. Sei es auf der Weide oder in der Box, er setzt sich erwartungsfrei zum Pferd und ist einfach mit ihm, ohne etwas zu wollen oder zu verlangen. Später hat er diese Meetings auch am Putzplatz, in der Reithalle oder im Pferdeanhänger. Das gilt aber nicht nur für Jungpferde oder neue Pferde. Auch für seine langjährigen Pferde nimmt er sich jeden Tag Zeit, erwartungsfrei zu ihnen zu gehen und einfach etwas Zeit mit ihnen auf der Weide zu verbringen. Wenn das Vertrauen in der Basisarbeit gelegt wurde, beginnt er erst mit der ersten Bodenarbeitstechnik.

Jossy Reynvoet Following

1. Following-Technik

Following übersetzt jdm. folgen, nachfolgen ist die erste Bodenarbeitstechnik. Dabei geht der Mensch mit einer Distanz von 2-3 Metern vor dem Pferd. Dabei benutzt man ein ähnlich langes Bodenarbeitsseil, das unter dem Kinn des Pferdes eingeschnallt ist. Beim Following lernt das Pferd zwei wichtige Punkte:

    • Dem Druck zu folgen, statt dagegen zu gehen
    • Dem Menschen zu vertrauen, schliesslich kann es nicht gefährlich sein, wenn der Mensch vorausgeht

Wichtig ist und das gilt für jede Art der Bodenarbeit, man sollte das Pferd nicht andauernd beobachten. Wir Menschen sind von Natur aus Jäger, darum sitzen unsere Augen vorne am Kopf. Das Pferd ist ein Beutetier. Starren wir nun unser Pferd bei der Arbeit andauernd an, fühlt es sich nicht wohl. Wenn man sich beispielsweise vorstellt mit einem geschätzten Menschen spazieren zu gehen und dieser starrt einen permanent von der der Seite an. Wie lange dauert es, bis man reklamiert und den Menschen bittet das zu lassen? Pferde tun das auch, indem sich entweder wehren oder in sich verschwinden.

In der Following-Position vor dem Pferd, leicht nach innen versetzt, hat man aber die Möglichkeit, das Pferd aus dem Augenwinkel im Blick zu behalten. Wenn nötig kann man also jederzeit reagieren. Und darum ist auch die Distanz zum Pferd so wichtig, dass man Zeit hat zu reagieren bzw. das Pferd genug Zeit hat auf den Menschen zu reagieren.

In der Skizze sind Pferd und Mensch auf linker Hand unterwegs, denn in der linken, sich hinter dem Rücken befindenden Hand hält der Reiter das Seil, während das Seilende sich in der rechten Hand befindet. Am Anfang ist es oft so, dass das Pferd die Distanz nicht einhält. Statt dann aber dauernd zu bremsen, wendet Jossy einen super Trick an: Er wechselt jedes Mal die Richtung, wenn das Pferd beginnt zu nahe aufzuschliessen. Der nächste Schritt ist dann, dass Anhalten auf Distanz, dabei dreht man sich zum Pferd und klopft mit dem Seilende sich selbst auf die Brust. Wichtig ist hierbei dem Pferd Zeit zu lassen zu reagieren, denn möglicherweise reicht beim zweiten Mal das Umdrehen und Heben der Hände bereits und das Pferd steht. Verfeinerung ist das Zauberwort. Immer und immer wieder schauen, ob es nicht mit weniger geht.

2. Leading-Technik

Leading übersetzt jdm. führen, leiten bezeichnet die zweite Bodenarbeitstechnik. Dabei befindet sich der Mensch neben dem Pferd auf etwa Höhe der Schulter. In der Neutralposition befindet sich Seilanfang und Seilende in den beiden Händen vor dem Bauch des Menschen. Zum Anhalten werden beide Hände nach vorne gestreckt und der Oberkörper nach hinten genommen. Jossy betont, dass man zu Beginn ruhig überdeutlich mit seiner Körpersprache sein soll, aber wenn es erfolgreich war, sofort mit der Verfeinerung begonnen werden soll. So dass ein Nachvornegeben der Hände bereits reicht, um das Pferd anzuhalten. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd zu nächst nicht versteht, dass es anhalten soll. Trotzdem beginnt Jossy mit dem Nachvornegeben der Hände, dem Zurücknehmen des Oberkörpers und wird dabei langsamer, um dem Pferd Zeit zu geben, zu erraten, was gemeint sein könnte. Erst wenn darauf keine Reaktion kommt, macht er mit seiner direkten Hand, das ist die, welche den Seilanfang hält und näher beim Pferd ist, eine abwärtszeigende Wellenbewegung mit dem Seil.

Jossy Reynvoet Leading
Jossy Reynvoet Circle

3. Circle-Technik

Circle übersetzt Zirkel, Kreis bezeichnet die dritte Bodenarbeitstechnik. Dabei befindet sich der Mensch etwa auf Höhe der Flanke des Pferdes und sieht so aus dem Augenwinkel das innere Hinterbein abfussen. Bei dieser Technik wird das Seil am Kappzaum im mittleren Ring eingeschnallt, da aus dieser Position das Pferd geformt wird. Aus dieser Position kann das Pferd longiert werden. Die Position des Menschen bleibt aber parallel zum Pferd, die eigenen Füsse zeigen auf dieselbe Kreislinie, wie die Hufe des Pferdes. Auch hier wird die Neutralposition, wie in der Leading-Technik eingenommen, wenn nichts korrigiert werden muss. Ebenfalls kann auch hier auf dieselbe Art angehalten und wieder vorwärts geschickt werden.

Spätestens beim Zirkeln merkt man, wie die vorhergehenden Techniken aufeinander aufbauen. Wenn das Following verstanden wurde, ist es viel einfach ins Leading zu wechseln und danach auf den Zirkel.

4. Focus-Technik

Focus übersetzt Fokus bezeichnet die vierte und letzte Bodenarbeitstechnik. Dabei befindet sich der Mensch frontal vor dem Pferd und seine Hand am Kappzaum. Aus dieser Position kann das Pferd noch genauer geformt werden, während man den ganzen Pferdekörper im Blick hat und jederzeit sehen kann, wie die Parade durch den Körper fliesst oder wo sie stecken bleibt.

Jossy Reynvoet Focus

Die 5 Handlungen der 4 Bodenarbeitstechniken

Mit dem Following, Leading, Circle und Focus hat man vier sehr schöne Techniken der Bodenarbeit. Für die Arbeit mit diesen Techniken hat Jossy fünf Handlungen definiert, welche in jeglicher Kombination und Variante umgesetzt werden können, so dass der Kreativität keine Grenzen gesetzt werden.Denn Jossy sagt dazu:

Bleibe kreativ, langweile dein Pferd nicht! Jossy Reynvoet

Die fünf Handlungen setzen sich wie folgt zusammen:

  1. Das Vorwärts
  2. Das Anhalten
  3. Das Rückwärts
  4. Die Schulterkontrolle
  5. Der Richtungswechsel

Diese fünf Handlungen können in jeder Bodenarbeitstechnik umgesetzt werden. Joss geht auch so weit, dass er während der Arbeit mit dem Pferd innerhalb der Techniken wechselt. Um beispielsweise beim Longieren die Hand zu wechseln, begibt er sich in die Following Technik, wechselt das Seil in den Händen und dreht sich schliesslich wieder in die Circle Position. Oder wenn das Pferd vor einer neuen Situation scheut, begibt er sich ebenfalls in die Following Position und sobald das Pferd begriffen hat, dass die Situation ungefährlich ist, wechselt er wieder in die Leading, Circling oder Focus Position.

Dabei geht es aber immer darum, eine gute Zeit mit dem Pferd zu verbringen. Ein weiteres wunderbares Zitat von Jossy lautet:

Happiness can live without perfection. Perfection cannot live without happiness. Jossy Reynvoet

Vielleicht ist die Arbeit von dir und deinem Pferd nicht perfekt für andere, wenn es aber perfekt für dich persönlich ist, dann reicht das. Denn Du musst glücklich sein. Was bring Perfektion in den Augen anderer, wenn du nicht glücklich damit bist?

Jossy überzeugt also nicht nur mit seinem Bodenarbeitskonzept, sondern auch mit seinem Herzblut, dass er in die Seminare steckt. Es geht, wie man seinem Zitat entnehmen kann, nicht um das Erreichen von Perfektion, was von der akademischen Reitkunst, oft angenommen wird. Sondern um das Verbringen einer schönen, gemeinsamen (!) Zeit. Sein Unterricht ist entsprechend lehrreich und unterhaltsam zu gleich, während er aus tiefstem Herz zu den Seminarteilnehmern spricht.

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