Reiten in der Kraft

Reiten in der Kraft. Ein Kursbericht vom Seminar mit der Fürstlichen Hofreitschule

Am 20. und 21. Oktober hiess es in Koblenz wieder lernen, beobachten und reflektieren. Denn Christin und Wolfgang Krischke von der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg waren zu Besuch auf dem Eschbachhof. Das Thema des Wochenendseminars: Reiten in der Kraft.

Ein paar Worte zu Christin und Wolfgang: Zusammen führen sie die Fürstliche Hofreitschule Bückeburg, welche auch als lebendiges Pferdemuseum bekannt ist. Christin ist die Direktorin und Stimme der Hofreitschule, Wolfgang ist der Hofreitmeister von Bückeburg und gemeinsam und tragen sie die Erkenntnisse aus 25 Jahren experimenteller Archäologie in die Reiterwelt hinaus.

Was ist Reiten in der Kraft?

Die Terminologie Reiten in der Kraft ist mir bis jetzt nur bei Christin und Wolfgang begegnet bzw. bei anderen Reitern, welchen von ihnen lernen. Die Bedeutung ist aber eigentlich simpel, das Pferd ist in seiner Kraft, wenn es seinen Kopf in der anatomisch effizientesten Position tragen kann. Diese Position ist von Pferd zu, Pferd, Gangart zu Gangart und auch von Tag zu Tag unterschiedlich. Sicher ist aber, dass die Ohren sich deutlich über dem Widerrist befinden, damit eine optimale Kraftentfaltung gewährleistet wird.

Ein Pferd, das sich in der Kraft bewegt:

  • Läuft flüssig und taktklar
  • Läuft balanciert
  • Ist zu prompten Tempo- und Richtungswechsel fähig
  • Hat den Widerrist willentlich angehoben

Nehmen wir das mal auseinander:
Flüssig und taktklar: Gerade da scheiden sich die Geister, wenn man sich so auf den Turnierplätzen umschaut. Man nehme als Beispiel den Trab, ein klassischer 2-Takt, d.h. wenn das linke Hinterbein auf dem Boden landet, sollte gleichzeitig auch das rechte Vorderbein auf dem Boden landen.

Das Pferd läuft balanciert: Balance bedeutet, die Fähigkeit den Widerrist zu heben und die Hanken zu beugen. Dadurch wird das Pferd dazu fähig prompte Tempo- und Richtungswechsel zu machen. Zum Beispiel Pedro Torres im Speedtrail der Working Equitation:

Hat den Widerrist willentlich angehoben: Das ist etwas das nicht erzwungen werden kann. Jeglicher Zwang führt nicht zu einem Anheben des Widerristes. Ein angehobener Widerrist, führt zu einem Senken des Halses und einer Positionierung des Kopfes an der Senkrechten. Damit der Widerrist aber gehoben wird, müssen die Hanken sich beugen.

Ein kleiner Bildvergleich

Auf welchem Bild ist das Pferd in der Kraft?

Im linken Bild sieht man, dass das Hinterbein viel früher den Boden erreicht als das Vorderbein. Und würde die Reiterin das Pferd durch die Zügel nicht stützen, würde der Widerrist wahrscheinlich direkt durch die Schultern fallen. Vor allem bedenklich ist auch, dass durch das verfrühte Landen des Hinterbeins, die die Sprunggelenke enorm (über)belastet werden. Hier ist ausserdem kein prompter Tempo- oder Richtungswechsel möglich. Jedenfalls kein gelenkschonender.

Auf dem rechten Bild hingegen trägt sich das Pferd selber und der Trab ist taktklar. Ausserdem sieht man, dass die Hinterbeine sich etwas beugen und dass der Widerrist angeboben ist. Ein Richtungs- oder Tempowechsel wäre hier jederzeit denkbar.

Wie schon erwähnt, ändert sich die Kopfposition für die optimale Kraftübertragung nicht nur von Pferd zu Pferd und von Gangart zu Gangart, sondern auch von Tag zu Tag. Entsprechend muss immer wieder neu erfühlt werden, wie das Pferd aufgelegt ist und in welchen Positionen es in seiner Kraft sein kann.

Was verhindert das Reiten in der Kraft?

Folgendes kann das Reiten in der Kraft verhindern:

  • Zu hohes Tempo
  • Zu viel Reitereinfluss / Erzwungene Anlehnung
  • Auf der Schulter gurten
  • Dehnungshaltung missverstehen
  • „Leicht“ sitzen

Denn zu hohes Tempo führt zu einem Verlust der Balance und des Taktes. Auch zu viel Reitereinfluss behindert das Pferd, die erzwungene Anlehnung sowieso. Da lohnt es sich, sich wieder einmal alle Reiterhilfen bewusst zu machen und sie radikal zu minimieren. Am Anfang steht nämlich das innere Bild, dann können Zügelhilfen beispielsweise durch das Anlegen der Zügel am Hals angekündigt werden, ehe sie angenommen werden. Auch sollte man sich auf seinen Dreh- und Spiegelsitz konzentrieren, um den übermässigen Einsatz von Bein- und Zügelhilfen zu verhindern.

Der Punkt Auf der Schulter gurten, betrifft vor allem Sättel, bei welchen die Gurtstrippe vom Widerrist über die Schulter gezogen wird.

Die optimale Dehnungshaltung wird automatisch erreicht, wenn das Pferd in der Kraft ist. Faustregel ist, dass die Nase des Pferdes immer bis maximal zum Buggelenk sinken darf.

„Leicht“ sitzen, ist leider gar nicht leicht und damit meine ich das Gewicht des Reiters. Ob man leicht sitzt oder nicht, das eigene Gewicht wird nicht weniger. Im Gegenteil durch das „leicht“ Sitzen wird das Gewicht nach vorne verlagert, aber gerade dort soll sich das Pferd ja heben. Die begünstigt die Anforderung an das Pferd als nicht wirklich. Auch Leichttraben führt nicht zu einer Gewichtsreduktion, da man ja in den Bügel steht. Man verliert nur die Kontrolle über da Tempo.

In der Praxis

Auf dem informativen Vortrag von Christin folgte der Unterrichtsblock mit Wolfgang. An den sechs Reiter-Pferde-Paaren wurde studiert, wann das jeweilige Pferd in seiner Kraft war und wie man das erreichen konnte. Entsprechend wurde mit Kopfposition, Tempo, Abstellung und Lektionen experimentiert.

Neben der Schulung des Auges, wurde auch das Gehör geschult. Ein laut stampfendes Pferd ist nämlich nicht in seiner Kraft, sondern auf der Vorhand. Sobald das entsprechende Pferd beispielsweise in einen Seitengang geholt wurde, verschwand das Stampfen. Das lässt sich auch gut Zuhause beim eigenen Pferd überprüfen, ob unter dem Sattel oder an der Longe:

  • Wird es besser durch Seitengänge?
  • Ist es zu untertourig oder zu schnell?
  • Ist der Kopf zu tief oder zu hoch eingestellt?

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